Interview

Ein Interview mit Jan Doležel

 

Warum hast du dein eigenes Label gegründet? Was können wir von deinem Label erwarten?

 

In meinem Label will ich nur meine eigenen Aufnahmen machen. Meine Vision ist, die Stücke den Hörern so zu präsentieren, wie ich mir sie vorstelle. Der Fokus liegt also auf der Interpretation der Stücke, die mir aus irgendeinem Grund wichtig sind.

 

Ich bin durch und durch ein Interpret. Die Interpretation sind für mich lange nicht nur Dinge wie z.B. die Tempowahl oder die Artikulation. Die Interpretation bedeutet für mich das, was das englische Wort "Interpreter" für den Dolmetscher bedeutet. Mein Ziel ist, die Wirkung, die Botschaft eines Stückes, die ich in den Noten sehe, meinen Zuhörern weiterzugeben.

 

Wie hängt der Fokus auf der Interpretation mit der Gründung eines eigenen Labels zusammen?

 

Ich wollte bei meiner ersten Aufnahme ja mit einem Tonmeister arbeiten. Doch das Resultat war lange nicht das, was ich mir da vorgestellt hatte. Die Wirkung der Musik - das Mysterium - das hat mir in der Produktion komplett gefehlt.

 

So bin ich auf die Idee gekommen, dass ich meine Aufnahmen selbst mache. Das ist natürlich schwierig und mit dem nötigen technischen Wissen verbunden. Man muss auch die entsprechende professionelle Tontechnik haben und vor allem man muss sie auch richtig bedienen können, damit man am Ende das hinbekommt, was einem im Kopf als Vision vorschwebt.

 

Der große Vorteil ist aber, dass ich selbst nach meinen eigenen Kriterien entscheiden kann, wann die Musik so spricht, wie ich es für essenziell halte.

 

Kann man das so verstehen, dass das Aufnehmen für dich in den Bereich der Interpretation gehört?

 

Ja freilich, genau so ist es. Nur auf dieser Weise behalte ich die Kontrolle darüber, wie genau es klingen wird. Ja, es wäre möglich mit erstklassigen Tonmeistern zu arbeiten, aber das wäre mir einfach zu teuer. Ich bin schon in der Lage, so lange an dem Werk zu sitzen, bis es mir selber gefällt. Das kann natürlich lange dauern und kein Tonmeister wird es kostenlos machen können.

 

Der Vorteil ist auch, dass ich auf diese Weise in der Zukunft alles aufnehmen kann, was ich aufnehmen will. Ich bin nicht so sehr davon abhängig, ob es mir jemand sponsern wird oder eben nicht.

 

Auf welche Musik können wir uns noch in deinem Label freuen?

 

Neben dem "Wohltemperierten Clavier I" sind schon drei weitere Projekte in Vorbereitung. In absehbarer Zeit soll das Orgelwerk von Heinrich Kaminski in die Veröffentlichung gehen. Wenn alles gut geht, wird es bald auch einen großen Orgelzyklus - näheres verrate ich noch nicht - geben.

 

Kaminski ist für mich eine Herzenssache. Eine wunderbare, tiefgründige Musik. Da freue ich mich ganz besonders darauf.

 

Deine Wahl ist schon etwas bemerkenswert: Zuerst "Das Wohltemperierte Clavier I", dann ein Gesamtwerk von Kaminski, von einem "großen Orgelzyklus" war da die Rede. Es sieht so aus, dass die große Zyklen eine besondere Anziehungskraft auf dich ausüben.

 

Eine Interpretation von großen, vielschichtigen Zyklen, hat etwas Tolles an sich: Die Aussage der Musik wird noch plastischer, umfassender, umso länger man mit ihr eine Strecke geht.

 

Denken wir nur an die Symphonien von Mahler oder Bruckner. Die sind so lang, weil sie eben so lang sein müssen. Komplexe Inhalte lassen sich nicht mit einem kurzen, knackigen Satz beschreiben.

 

Die großen Formen in der Orgelliteratur sind für mich gerade aus diesem Grund so spannend. Im Laufe der Zeit, in der die Musik klingt, werden sehr viele Inhalte beleuchtet und die Musik hat einfach Zeit, ihre Sprache zu sprechen und wir Zuhörer haben wiederum die Zeit, uns auf die Sprache der Musik einzulassen.

 

Das klingt aber so, wie wenn du ganz wählerisch wärst, was dein Repertoire betrifft. Nach welchen Kriterien wählst du dein Programm aus?

 

Erstens ist es für mich wichtig, dass ich die Sprache der Musik verstehe. Es ist nicht so, dass ich Musik in mir verständlich - also zum Spielen würdig - und mir unverständlich, also mir nicht würdig, teile. Ich sehe es so, dass ich nicht alle Sprachen verstehe, manchmal braucht man eben Zeit, um einen Komponisten zu verstehen, so ging es mir sogar bei Kaminski.

 

Die Musik, die ich nicht verstehe, die spiele ich natürlich nicht. Da kommt bei mir nie etwas Anständiges raus. Sehr viel aus der französischen Literatur ist für mich so ein Fall.

 

Dafür gibt es aber Musik, die zu mir spricht, wo ich zwischen den Zeilen ganze Bilder sehe, wo ich sofort eine Vorstellung davon habe, welche Wirkung da auf die Zuhörer kommen muss.

 

Wenn ich die Sprache der Musik verstehe - oder besser gesagt - wenn ich das Gefühl habe, dass ich sie verstehe, dann kann ich den Inhalt auch interpretieren. Und wir sind wieder dabei: Das Interpretieren hat für mich etwas mit Dolmetschen zu tun.

 

So gesehen wird es bei dir wohl keine Grenzen für den Stil geben, oder? Manche orientieren sich an Alter Musik, andere an der Romantik, wie ist es bei dir?

 

Diese Grenzen gibt es bei mir nicht. Für mich ist allein entscheidend, ob ich die Sprache der Musik verstehe, ob die Musik zu mir spricht.

 

Mein Fokus liegt auf aussagekräftigen Werken der gesamten Orgelliteratur, sei es Arnolt Schlick mit seinem genialen "Ascendo", Buxtehude, Schumann, Reger, Ligeti oder Kagel. Da habe ich das Gefühl, dass ich die Musik weitergeben kann. Die positiven Erfahrungen aus den Konzertaufführungen bestärken mich in dieser Auffassung.

 

Und wie wichtig sind für dich die Instrumente selbst?

 

Für mich sind die Instrumente vor allem als Mittel dafür interessant, mit denen ich die Musik so darstelle, wie sie meiner Meinung nach sein muss. Naturgemäß arbeite ich also am liebsten auf einem passenden historischen Instrument.

 

Es ist nicht so, dass ich die Musik dem Instrument anpassen würde. Das Instrument muss einfach die Wirkung wiedergeben können, die ich für die Musik für essentiell halte. Zum Beispiel in der Aufnahme von dem "Wohltemperierten Clavier" war es mir wichtig den Eindruck zu vermitteln, dass es eine Musik ist, die einer für sich in einer kleinen Kirche spielt, quasi nicht aus der Welt und nichts für die Welt. Ganz abgeschieden und weit weg von der Unruhe des Alltags. Und die Orgel hat dabei Kraft und strahlt und sie kann alle Stimmungen und Regungen ausdrücken, aber sie steht nicht in einer bekannten Kirche im Rampenlicht, sondern irgendwo im Verborgenen. Wenn dieser Zauber auf die Zuhörer überspringen würde, dann wäre es für mich die größte Freude.

 

Jan Doležel, Februar 2022

 

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Die Buchstaben MLD stehen für MusikLabel Doležel.